{Der Artikel ist die Übersetzung eines Artikels unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière in ihrer gleichnamigen Zeitung vom 3. Juni 2020. }
Der kaltblütige Mord an dem Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis hat quer durch die USA eine Protestwelle ausgelöst. Die Demonstranten trotzen der Ausgangssperre. Sie stoßen dabei oft mit Polizei- oder Militärtruppen zusammen, die sowohl die republikanischen wie die demokratischen Verantwortlichen aussenden, um die etablierte Ordnung aufrechtzuerhalten – auch wenn diese Ordnung rassistisch ist.
Der Präsidentschaftswahlkampf, der einige Monate vor der Wahl im November an Schärfe gewinnt, bewegt Trump dazu, in seinen Reden einen „Law and Order“-Kurs zu vertreten, der sich eindeutig gegen die Schwarzen und Weißen richtet, die über die Polizeigewalt empört sind. Indem er sich selbst als „Präsident des Rechts und der Ordnung“ bezeichnet, knüpft Trump an den ehemaligen republikanischen Präsidenten Nixon an: Dieser hatte solche Reden 1968 geschwungen, um die Wählerstimmen der Rassisten zu gewinnen, die über die großen Aufstände entsetzt waren, die damals die Städte des Landes erschütterten. Diese Aufstände waren der Höhepunkt einer Schwarzenbewegung, die sich politisch immer weiter radikalisierte und zu einer Bedrohung für den Kapitalismus und den amerikanischen Staat wurde.
Um die heutigen Proteste auf die Taten einiger Banden zu reduzieren, die Geschäfte anzünden und plündern, hat Trump sich gleich als erstes der Äußerung eines rassistischen Sherifs aus Miami bedient, der in den 1960er Jahren gesagt hatte: „Wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen.“ Trump fügte noch ein „Danke“ hinzu, um ganz klar zu machen, dass die Repression von ihm unterstützt und ermutigt wird.
Was als „Plünderungen“ dargestellt wird, sind in Wahrheit viel öfter arme Familienväter- und -mütter, die wie 40 Millionen andere arbeitslos sind und irgendwie etwas zu Essen nach Hause bringen müssen.
Auf diesem Gebiet waren die Polizei und die örtlichen Behörden zunächst vorsichtig. Sie wollten nicht, dass Opfer unter den Demonstranten die Revolte, die sich von Stadt zu Stadt ausbreitet, weiter anheizen. Es hat sogar Polizisten gegeben, die sich symbolisch den Demonstrationen angeschlossen haben: entweder, weil sie über den Mord an George Floyd selber zutiefst erschüttert waren oder weil sie einfach vermeiden wollten, mit ihren rassistischen und brutalen Kollegen in einen Topf geworfen zu werden. Später haben die Behörden die Polizeikräfte dann losgeschickt, um die Demonstranten auf brutale Weise auseinanderzutreiben. Und diese sind dabei genauso brutal, wenn nicht sogar brutaler vorgegangen als gegenüber den Banden, bei denen die Medien so gerne verweilen.
Mit ein paar passenden Worten über Gerechtigkeit und notwendige Versöhnung hofft die demokratische Partei, die Wut – die sich derzeit in den Straßenprotesten ausdrückt – in die Sackgasse der Wahlen zu lenken. Doch Trump aus dem Weißen Haus zu verjagen, wird nichts an den rassischen und sozialen Ungleichheiten ändern.
Acht Jahre Obama haben daran nichts geändert. Um nur ein Beispiel zu nennen: Unter Obamas Präsidentschaft wurde 2014 der Schwarze Michael Brown in Ferguson (Missouri) ermordet. Er starb unter den Schlägen eines rassistischen Polizisten, der nie auch nur angeklagt wurde. Der gesamte Staatsapparat beherbergt in seinem Inneren Rassisten, die quasi sicher sein können, ungestraft zu bleiben. Das Gewicht dieses ganzen Staatsapparates lastet auf den Schwarzen, egal ob Demokraten oder Republikaner an der Regierung sind.
In den Großstädten, die seit dem 25. Mai Tag und Nacht von den Demonstrationen erschüttert werden – Minneapolis, New York, Los Angeles, Chicago, Atlanta… – waren es übrigens demokratische Bürgermeister, die die Ausgangssperre verhängt und die Polizei gegen die Demonstranten losgeschickt haben. Und ebenso demokratische wie republikanische Gouverneure haben die Nationalgarde mobilisiert, um diesen Bürgermeistern zur Hilfe zu kommen.
Auch wenn sie bei Wahlen Konkurrenten sind, so tragen Republikaner und Demokraten gemeinsam die historische Verantwortung für diese Situation. Beide Parteien versuchen die US-amerikanische Bourgeoisie vor Revolten zu schützen, die ihre Herrschaft erschüttern könnte – eine Herrschaft, die diese zum Teil auch dank der Spaltung der Arbeiterklasse nach ‚Rassen‘ aufrechterhält.
Der Mord an George Floyd war der eine Mord zu viel, der ein soziales Pulverfass zur Explosion gebracht hat. Die Pandemie-Krise und die fürchterliche Ausbreitung der Arbeitslosigkeit sind der jüngste Zündstoff hierfür. Überall in den USA schließt sich ein Teil der weißen Jugend, die ihre Zukunftsträume in Rauch aufgehen sieht, den Schwarzen an, die mit dieser unheilbar rassistischen Gesellschaft Schluss machen wollen. Wenn sie sich bewusstwerden, dass Kapitalismus und Staat eine untrennbare Einheit bilden, die man stürzen muss, um nicht immer und immer wieder denselben Schrecken zu erleben – dann wird diese Revolte einen Weg in die Zukunft eröffnen.