Verzicht rettet die Arbeitenden nicht, er schadet ihnen!

— Nr.

17.000  Beschäftigte bangen, was der neue Besitzer Benko, der Karstadt nun für 1 Euro gekauft hat, vorhat. Die Drohung steht schon im Raum, dass ein Viertel der Filialen geschlossen werden könnten. Und damit erneut tausende Kassiererinnen den Weg zum Arbeitsamt, in 400-Euro-Jobs, HartzIV und Armutsrenten gehen müssen.
 
Zum dritten Mal in wenigen Jahren erleben sie nun dasselbe: Zum dritten Mal haben sie nun einen neuen Besitzer, der ihnen erzählt, dass Karstadt am Ende sei und nur durch drastische Sparmaßnahmen vor dem Bankrott gerettet werden könne. Jedes Mal standen die Arbeitenden bei dieser Erpressung mit dem Rücken zur Wand: Tausende haben ihren Arbeitsplatz verloren, die übrigen haben seit 2004 auf insgesamt 750 Millionen Euro Lohn verzichtet. Und was ist das Ergebnis? Kein Jahr nach dem letzten Verzicht sollen heute schon wieder tausende Arbeitsplätze vernichtet und die übrigen verschlechtert werden.
 
Ist es wahr, dass es Karstadt so schlecht geht? Wer soll das wissen. Bücher, Konten und Geschäftsvorgänge sind geheim. Obwohl die Arbeitenden die Folgen tragen und sie den Reichtum einer Firma schaffen, können sie nicht überprüfen, was damit passiert.
 
Doch eines ist sicher: Alle Besitzer von Karstadt haben sich ungeniert an dem Firmengeldern bedient. Die einen haben – mit Hilfe des Managers Middelhoff – durch Immobiliengeschäfte und überhöhte Mieten jährlich Millionen aus der Firma gezogen. Ihr Nachfolger, der Milliardär und Finanzspekulant Berggruen, hat die teuersten Karstadt-Häuser, die er für 1 Euro bekommen hatte, für 300 Millionen Euro verkauft und obendrein Millionen als „Mietrechte“ für den Firmennamen kassiert. Und wir können sicher sein, dass auch der neuste Besitzer, der Immobilien-Spekulant Benko schon einen Plan hat, was er sich unter den Nagel reißen möchte. Und solche Leute entscheiden über die Existenz von tausenden Arbeitern!
 
Falls Karstadt heute tatsächlich Geldprobleme haben sollte – was alles andere als sicher ist – dann ist bei dieser Serie der Karstadt-Besitzer mindestens ein Teil dieses Geldes zu finden. In jedem Fall genug, um abzusichern, dass kein einziger Beschäftigter von Karstadt bis zu seiner Rente auf Lohn verzichten oder gar in HartzIV rutschen muss.
Die Gewinne und aufgehäuften Reichtümer zur Sicherung aller Arbeitsplätze und Löhne einzufordern — das und kein Verzicht der Welt kann auf Dauer die Existenz der Arbeitenden sichern.
 
Selbst wenn wir nämlich an ihr Märchen glaubten, dass Karstadt durch viertausend Entlassungen und Lohnverzicht aus der Krise kommen und wieder blendend laufen würde: Hätten die Karstadt-Beschäftigten etwa dann einen sichereren Job?
Nein. Schauen wir uns doch nur die Betriebe an, in denen es blendend läuft. Wie die deutsche Autoindustrie, wo Daimler allein in sechs Monaten 2,6 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat, BMW 4,7 Milliarden, und Volkswagen dabei ist, zur weltweiten Nummer 1 der Autokonzerne aufzusteigen. Und was bekommen ihre Beschäftigten? Ein 5-Milliarden-Euro-Sparprogramm bei VW und ähnliches bei Daimler, mit geplanten Maßnahmen wie Stellenabbau, Verkauf von Filialen, längere Arbeitszeiten und Lohnkürzungen.

Egal wie blendend es läuft, die Kapitalisten versuchen immer, noch mehr Profit aus dem Betrieb zu holen und dafür bei den Arbeitern zu sparen. Allein schon, weil sie ihrer eigenen Wirtschaft nicht trauen. Sie wissen nie, ob sie im nächsten Jahr vielleicht weniger verkaufen. Deshalb versuchen sie aus Prinzip alles, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Gewinn zu machen und ihn auf die Konten der großen Aktionäre zu schaffen. Und je länger und tiefer die Weltwirtschaftskrise geht, desto kurzsichtiger und brutaler werden sie.
 
Verzicht als Rettung zu preisen ist daher immer eine Lüge. Sie beruht auf der Täuschung, dass Arbeiter und Unternehmer das gleiche Interesse hätten, nämlich den Betrieb möglichst langfristig und zum Wohle aller zu erhalten.
In Wahrheit können wir verzichten und nochmal verzichten. Selbst wenn wir 12 Stunden am Tag für 600 Euro im Monat arbeiten, würden sie weiter entlassen und weitere Verschlechterungen fordern – und zwar vollkommen unabhängig davon, ob sie den Betrieb weiterbetreiben, verkaufen oder schließen wollen.
 
Der Erhalt von Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen ist daher ein beständiger Kampf, und nichts anderes. Ein Kampf zwischen der kapitalistischen Klasse und der arbeitenden Klasse um die Frage, wie viel des von den Arbeitenden geschaffenen Reichtums für ihre Arbeitsplätze verwendet wird und wie viel sich die Unternehmer einstecken.

Es ist ein Kampf, den die Arbeitenden führen müssen, wenn sie nicht immer und immer elender dastehen wollen. Ein Kampf, der erst an dem Tag ein Ende finden kann, an dem die Arbeiterklasse grundsätzlich das Recht der Benkos, Berggruens, Porsches, Quandts und all dieser, oft namentlich nicht einmal bekannten Großaktionäre in Frage stellt, über die Unternehmen und damit über unsere Existenz zu entscheiden.