Vor 500 Jahren: Der deutsche Bauernkrieg – eine vergessene Revolution

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Vor 500 Jahren, zwischen 1524 und 1526, versetzten an die 300.000 Bauern den damals herrschenden Adel und die Kirche in Angst und Schrecken. In großen Teilen des damaligen deutschsprachigen Raums bewaffneten sie sich und kämpften für ein Leben in Freiheit.

Die meisten Bauern waren damals Leibeigene und gehörten damit quasi ihrem adeligen Gutsbesitzer. Sie mussten neben ihren eigenen Feldern auch noch dessen Felder bestellen und andere, sogenannte Frondienste für ihn leisten. Sie durften nicht wegziehen oder ohne die Zustimmung des Gutsbesitzers heiraten. Und immer häufiger mussten sie für die ständigen Machtkämpfe ihrer Herren in den Krieg ziehen.

Und dann gab es auch noch die katholische Kirche, die sie ebenfalls auspresste. Selbst als die Pest wütete und eine kleine Eiszeit die Ernten zerstörte, verlangten Kirchenfürsten und Adelige gnadenlos weiter einen Teil der Ernte, um ihr Luxusleben zu finanzieren – selbst wenn die Bauernkinder dafür verhungern mussten.

Die Kirchenfürsten erzählten ihnen, all dies sei Gottes Wille, so stehe es in der Bibel. Doch diese gab es nur auf Latein. Dann aber übersetzte Martin Luther 1522 zum ersten Mal die Bibel ins Deutsche. Und die Bauern entdeckten, dass dort nichts stand von Leibeigenschaft oder dem Recht des Adels zu herrschen. Immer mehr begann es unter ihnen zu rumoren.

Und dann war es wie so oft eine Kleinigkeit, die das Feuer in Brand setzte. Überliefert ist, dass eine Gräfin von ihren Bauern verlangte, sie sollten mitten in der wichtigen Erntezeit die Felder verlassen, um für sie Schneckenhäuser und Beeren zu sammeln. Diese Verachtung und Arroganz brachte das Fass zum Überlaufen. Die Bauern bewaffneten sich, zogen zum Schloss und forderten das Ende der Willkür. Nach wenigen Tagen hatten sich ihnen 1.200 weitere bewaffnete Bauern angeschlossen.

Von da an kam es über zwei Jahre hinweg an immer neuen Orten zu Aufständen der Bauern, mit oft zehntausenden Kämpfern. Sie zündeten die Burgen der Adeligen an, verbrannten die Dokumente ihrer Leibeigenschaft und plünderten die reichen, verhassten Klöster. Und schon bald stellten sie außerdem beeindruckende Forderungen auf.

Diese angeblich „ungebildeten“ Bauern, die großteils nicht einmal lesen und schreiben konnten, entwickelten ein politisches Programm, das man mit Fug und Recht als Grundlage der bürgerlichen Revolutionen und der „Bürger- und Menschenrechte“ der französischen Revolution ansehen kann.

So forderten sie die Abschaffung der Leibeigenschaft und das Ende der Willkür-Herrschaft von Adel und Kirche. Stattdessen sollten anerkannte „ehrbare Männer“ (sprich von der Bevölkerung gewählte Männer) Steuern festlegen und Recht sprechen. Und sie verlangten, dass Wälder, Seen und Gemeindeäcker kein Privateigentum sein dürften, sondern jeder dort jagen, fischen, Holz sammeln und sein Vieh weiden dürfe.

Anfangs gelang es den Adeligen oft, die örtlichen Aufstände durch List und Tücke zu beenden. Sie versprachen den Bauern, alle Forderungen umzusetzen… aber nur, wenn diese als Gegenleistung ihre Waffen abgaben. Doch sobald die Bauern die Waffen abgegeben und wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt waren, brachen die Machthaber alle Versprechen und richteten ein Blutbad unter den Bauern an.

Es wurde immer deutlicher, dass die Bauern den Adeligen nicht trauen konnten. Dass es nötig war, sie vollständig zu entmachten und selber eine neue Herrschaftsordnung zu errichten, wie die Bauern sie in ihrem politischen Programm forderten.

Doch dazu hätten die Bauern die Unterstützung der Städte gebraucht. Denn hier befanden sich modernes Handwerk, Handel, Wissenschaft und Technik und damit das Herz der künftigen, bürgerlichen Gesellschaftsordnung.

Auch die Handwerker und das Bürgertum der Städte litten unter der Willkür von Adel und Kirche, die sie obendrein mit durchfüttern mussten. Wenn ein Bauernaufstand in ihrer Gegend ausbrach, schlossen sich nicht wenige kleine Städte daher den Bauern auch an. Nicht jedoch die großen Städte, wo die reichen Kaufmannsfamilien lebten.

Als die Bauern Ideen von allgemeiner Gleichheit entwickelten und immer radikaler wurden, bekamen diese es mit der Angst zu tun und schlugen sich offen auf die Seite der alten Machthaber. Martin Luther, ihr Sprachrohr, rief dazu auf, man solle die Bauern wie „einen tollen Hund totschlagen“.

Die Bauern kämpften noch lange mutig weiter. Doch vom Bürgertum im Stich gelassen, mussten sie irgendwann kapitulieren. Es folgte eine Welle des Terrors, mit der sich die Machthaber dafür rächten, dass die Bauern sie in solche Angst versetzt hatten. Bis zu 100.000 Bauern wurden getötet.

Adel und Kirche hofften, dadurch ein für alle Mal jeden Funken von Revolte erstickt zu haben. Vergebens! Auch wenn eine Zeit lang Friedhofsruhe herrschte, musste ihre kaputte mittelalterliche Gesellschaftsordnung zwangsläufig irgendwann zu weiteren Revolten führen… bis die Welle der Revolutionen des 17. – 19. Jahrhunderts ihr letztlich überall den Garaus machte und an ihrer Stelle die damals noch fortschrittliche, bürgerlich-kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung trat.

In den damaligen Kämpfen der Bauern erkannten einzelne Mitstreiter wie Thomas Münzer oder Michael Gaismair sogar schon, dass selbst das nicht reichen würde. Dass Armut und Ausbeutung erst dann beendet würden, wenn man das Privateigentum an Boden und größerem Besitz ganz abschafft.

Mit der Arbeiterklasse gibt es heute eine große ausgebeutete Klasse in den Städten, die durch ihre Rolle im Herzen der Industrie die Macht in der Hand hält, eine solche grundlegende Umwälzung der Gesellschaftsordnung zu erkämpfen… wenn sie sich ihrer Macht bewusst wird. Auch deshalb erfahren wir heute über den Bauernkrieg und seine Lehren fast gar nichts, weder in der Schule noch in den Medien. Nachher könnte uns dies noch auf Ideen bringen…