Sie machen es sich schön einfach, die Fluggesellschaft, die Regierung… Für sie alle ist der alleinige Verantwortliche des schrecklichen Flugzeugabsturzes gefunden: der Co-Pilot, der psychisch krank war und flog, obwohl er krankgeschrieben war.
Und schon nutzen Vertreter der Unternehmer die Gelegenheit für einen neuen Vorstoß gegen die Arbeiter. Schon diskutieren sie, ob nicht die Ärzte den Unternehmern verraten sollen dürfen, welche Krankheiten ihre Arbeiter haben. Oder ob man bestimmten Berufsgruppen nicht regelmäßig Blut abnehmen und es auf Medikamente testen solle.
Sie tun fast so, als wären die Arbeiter ein Risiko für die Allgemeinheit, während sich die Unternehmer stets um die Gesundheit ihrer Beschäftigten und die Sicherheit der Allgemeinheit sorgen würden.
Sie stellen wirklich alle Tatsachen auf den Kopf! Diejenigen, die dem größten Risiko ausgesetzt sind, sind ja wohl die Arbeiter selber. Wie viele Zehntausende verlieren selbst in Deutschland jedes Jahr auf der Arbeit ihre Gesundheit, weil sie giftigen Stoffen ausgesetzt, durch Arbeitsunfälle verstümmelt oder durch jahrelange Nachtschicht krank werden.
Und garantiert wird es für niemanden sicherer, wenn die Unternehmer uns Arbeiter noch mehr überwachen dürften. Sie wissen doch schon fast alles über uns. Sie können nicht nur jeden Schritt von uns auf der Arbeit überwachen. Sie wissen, wo wir wohnen, was wir verdienen, wie oft wir krank sind und oft sogar, was wir haben – während sie dafür sorgen, dass wir nichts von ihnen erfahren.
Dabei werden in den Chefetagen die wichtigen Entscheidungen getroffen, die unsere Gesundheit und Sicherheit betreffen. Dass diese Entscheidungen geheim sind, das ist eine echte Gefahr für Arbeiter und Allgemeinheit. Sie müsste man überwachen.
Und es ist schon zynisch, dass ausgerechnet die Unternehmer jetzt so tun, als wollten sie, dass niemand krank arbeiten geht. Das Gegenteil ist wohl eher der Fall.
Nehmen wir doch nur die Lufthansa. Sie selber will die Piloten gerade zwingen zu fliegen, auch wenn diese sich körperlich oder geistig dazu nicht mehr in der Lage fühlen. Genau dagegen streiken die Piloten von Germanwings und Lufthansa ja seit Monaten immer wieder.
Bislang konnte wenigstens ein Teil von ihnen ab 55 Jahren den Antrag stellen, nicht mehr zu fliegen. Die Lufthansa zahlte ihnen dann bis zur Rente ein Übergangsgehalt. Jetzt aber sagt sie: Piloten müssen auch mit 60 Jahren einen 12-Stunden-Flug nach Brasilien machen, und wer das nicht schafft, soll sich arbeitslos melden.
Ja, in der Logik der Unternehmen sind Arbeiter, die krank sind und nicht arbeiten, nichts als ein Störfaktor. Und das lassen sie uns auch spüren. Überall wächst der Druck, arbeiten zu kommen, auch wenn man krank ist… sogar mit Krankenschein. Wie viele müssen zu „Gesprächen“ nach längeren oder häufigeren Krankenscheinen? Wie viele werden mittlerweile nach Krankenscheinen entlassen, erst recht als Leiharbeiter oder Befristete?
Dabei sind die Unternehmer oft mit verantwortlich, dass wir krank werden. Mit ihrer wachsenden Arbeitshetze machen sie unsere Muskeln, Knochen und Nerven vor der Zeit kaputt. Und wenn man die Arbeit irgendwann nicht mehr schafft, dann sagen sie, dass sie darauf keine Rücksicht nehmen können. Man bekommt weder weniger Arbeit noch eine andere Arbeit zu gleichwertigen Bedingungen. Nein, im besten Fall versetzen sie einen auf einen anderen Arbeitsplatz mit weniger Lohn. Meist jedoch zwingen sie einen, den Arbeitsplatz ganz aufzugeben und von HartzIV oder einer mickrigen Frührente zu leben.
Wird man krank, kann so ganz schnell die ganze Existenz auf dem Spiel stehen. Genau das bringt Arbeitende auch dazu, Krankheiten zu verheimlichen. Es bringt LKW-Fahrer dazu, weiter 40-Tonner zu fahren, obwohl ihre Reaktionsfähigkeit nachlässt und Krankenschwestern, eine Allergie auf Desinfektionsmittel zu verschweigen. Das ganze System treibt Arbeitende dazu, solche Probleme zu verheimlichen, selbst wenn es schlimme Folgen haben kann.
Wirklich die Sicherheit für alle zu erhöhen beginnt daher mit der Sicherheit des Arbeitsplatzes. Nur wenn Unternehmen nicht entlassen dürfen und jeder den Anspruch auf einen Arbeitsplatz hat, nur dann braucht niemand Angst zu haben, einen Krankenschein zu nehmen und sich vernünftig behandeln zu lassen.
Dann hat man auch keinen Grund mehr zu verschweigen, wenn man eine Arbeit nicht mehr schafft. Weil man die Sicherheit hat, nicht arbeitslos zu werden, sondern eine andere Arbeitsstelle zu gleichem Lohn zu bekommen.
Dazu braucht man natürlich auch Arbeitsbedingungen, die einen nicht selber krank machen, angefangen bei ausreichend Personal.
Doch all das ist eben unvereinbar mit ihrem System, in dem die Betriebe privaten Kapitalisten gehören und der Profit an erster Stelle steht. Dieses System muss man daher bekämpfen – und nicht seine Opfer, die Arbeitenden.