„Wenn der Staat mordet – wer klagt ihn dann an?“

— Nr.

Über 10.000 Menschen sind am 26. April in der relativ kleinen Stadt Oldenburg auf die Straße gegangen, nachdem an Ostern ein 21jähriger Deutscher mit schwarzer Hautfarbe (Lorenz A.) von einem Polizisten hinterrücks ermordet worden war.

Empört forderten die Demonstranten, dass die Polizei zur Rechenschaft gezogen wird. Diese hatte nämlich zunächst frech behauptet, Lorenz habe sie nach einem Zwischenfall vor einer Disko mit einem Messer bedroht. Nur deshalb hätten sie „aus Notwehr“ geschossen. Doch Videoaufnahmen belegen, dass Lorenz im Gegenteil vor den Polizisten weglief und ein Polizist ihm vier (!) Mal in den Rücken schoss.

Dieser Mord ist längst kein Einzelfall mehr. Die Zahl der Menschen, die von der Polizei getötet werden, nimmt von Jahr zu Jahr zu. 2023 waren es noch 11 Tote, 2024 bereits 22. Und 2025 wurden allein in den ersten drei Monaten schon 11 Menschen von der Polizei getötet. Die meisten von ihnen waren Migranten, hatten eine dunkle Hautfarbe oder gehörten einfach zu den ärmsten Teilen der Bevölkerung.

Kein Wunder! Rassistische Vorurteile und Verachtung gegenüber Obdachlosen und Ärmeren waren in der Polizei schon immer stärker vertreten als im Rest der Bevölkerung. Doch wenn AfD, CDU und mittlerweile fast alle Parteien immer lauter fordern, die Polizei solle in den „Problemgegenden“ härter durchgreifen und wenn sie immer stärker das Bild vermitteln, dass jeder Migrant ein potenzieller Krimineller oder Terrorist sei, den man am besten gleich an der Grenze stoppen müsse, dann wundert es einen nicht, dass den Polizisten die Waffe immer lockerer sitzt.

Umso mehr, da die Polizisten eigentlich nie dafür bestraft werden, wenn sie Unschuldige töten. Im Gegenteil, sie bleiben weiter im Dienst. Justiz, Behörden und Politiker stehen hinter ihnen.

So redete auf der Demonstration auch der Bruder des 16jährigen Mouhamed Dramé, dem Polizisten aus Dortmund fünf Kugeln aus einer Maschinenpistole in den Leib jagten, obwohl er nachweislich nichts getan hatte. Die betroffenen Polizisten wurden dennoch freigesprochen und arbeiten weiter.

Im Fall Lorenz werden die Ermittlungen von der berühmt-berüchtigten Polizeidienststelle Delmenhorst durchgeführt, auf deren Wache 2021 ebenfalls ein 19-jährige Geflüchteter nach Gewalteinwirkung starb – und wo ein Polizist 2022 einen Festgenommenen mehrfach mit dem Kopf gegen die Zellenwand schlug. Wie sie die Ermittlungen gegen ihre Kollegen in Oldenburg führen werden, kann man sich ausrechnen.

„Wenn der Staat mordet – wer klagt ihn dann an?“, fragte ein Transparent in Oldenburg. Die Antwort gaben sie selber, mit ihrer Demonstration von über 10.000 Menschen. Denn nur massiver Druck und Proteste aus der Bevölkerung können verhindern, dass jeder Polizeimord unter den Tisch gekehrt werden kann.

Die Ereignisse in Oldenburg werfen auch ein Licht auf die erneute Diskussion über ein Verbot der AfD.

Mal abgesehen davon, dass es gelinde gesagt naiv ist zu glauben, man könne die gefährliche Rechtsentwicklung einfach dadurch aufhalten, dass man eine Partei (mit über 20% Wählerstimmen) verbietet.

Doch ein Verbot der AfD zu fordern bedeutet, den Kampf gegen den Rechtsextremismus in die Hände dieser Polizei, dieser Justiz und dieser Regierung zu legen. Dabei sind sie wahrlich die letzten, denen man vertrauen kann, dass sie die Rechtsextremen konsequent bekämpfen würden.

Auch hier gilt: Diesen Kampf müssen wir selber in die Hand nehmen. Vor allem, indem wir die Ursachen für das Erstarken der Rechtsextremen bekämpfen: die politische Abwesenheit der Arbeiterbewegung und die marode kapitalistische Gesellschaftsordnung, die mit ihren zunehmenden Krisen Existenzängste, Verzweiflung und Wut hervorruft.