Am späten Abend des 3. Dezember hat der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht verhängt und wollte diktatorisch regieren. Schon wenige Stunden später musste er zurückrudern.
Doch die Ereignisse haben eindrücklich vor Augen geführt, welche Gefahr ganz plötzlich von einer vermeintlich demokratischen Regierung ausgehen kann.
Der südkoreanische Präsident ist ein rechter Politiker, der auch vorher schon gerne „hart durchgegriffen“ hat.
Vor etwas über einem Jahr hat er einen gewerkschaftlich organisierten Streik der LKW-Fahrer abgewürgt, indem er ihn einfach für illegal erklärt hat. Kurze Zeit später hat er Vertreter der Bauarbeitergewerkschaft ins Gefängnis geworfen.
Doch im April hat seine Partei die Parlamentswahlen verloren. Die Opposition hat seitdem fast eine Zweidrittelmehrheit, und Präsident Yoon Suk Yeol kann seine Gesetze nicht mehr durchbringen. Deshalb hat er es mit einem Staatsstreich versucht.
Er hat das Kriegsrecht ausgerufen, mit der Begründung, „die pro-nordkoreanischen Kräfte (gemeint ist die Opposition) auszurotten und die verfassungsmäßige demokratische Ordnung zu schützen“.
Eine vermeintliche Bedrohung durch Nordkorea als Vorwand für Verfolgung und Unterdrückung zu nutzen, ist in Südkorea eine altbewährte Methode aus den Zeiten der Militärdiktatur. Denn was gerne vergessen wird: Nicht nur in Nordkorea, auch in Südkorea hat die Militärdiktatur eine lange Geschichte.
Erst Ende der 1980er Jahre umgab sich das südkoreanische Regime mit einer demokratischen Fassade, insbesondere nachdem es zu explosiven und lang anhaltenden Streiks kam, die das ganze Land erfassten und in denen sich Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in den Kampf warfen.
Die Erinnerungen an diese noch nicht so ferne Zeit der Diktatur waren ein Grund, warum so viele Koreaner mitten in der Nacht spontan auf die Ausrufung des Kriegsrechts reagierten und vor das vom Militär besetzte Parlament zogen… bis der Präsident die Truppen wieder zurückrief.
Seitdem fordern viele Koreaner die Absetzung des Präsidenten. Am 7. Dezember gingen fast eine Million Menschen dafür auf die Straße. Schützenhilfe bekam der Präsident hingegen von der US-Regierung, die den Staatsstreich als harmlose „Fehleinschätzung“ bezeichnete!
Auch das braucht einen nicht zu wundern. Seit dem Koreakrieg ist der koreanische Staat und insbesondere dessen Armee der treue Vertreter der US-Interessen in der Region.
Ein amerikanischer General steht sogar an der Spitze der koreanischen Armee – der Armee, die den Präsidenten bei seinem Putschversuch unterstützt hat.
Die Ereignisse sind eine Warnung an uns alle. Sie machen deutlich, dass unter der Oberfläche von Wahlen und Parlament die eigentliche Macht bei den bewaffneten Kräften, bei Militär und Polizei liegt… und wie schnell man mit ihnen die parlamentarische Demokratie in eine Diktatur verwandeln kann.