Ukraine: Proteste gegen die immer autoritärere Regierung

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Nach größeren Protesten vor allem junger Leute musste der ukrainische Staatschef Selenskyj das Gesetz abschwächen, das die Anti-Korruptionsbehörden unter die direkte Befehlsgewalt seiner Regierung stellen sollte. Kurz vorher hatten diese Behörden mehrere Vertraute Selenskyjs und hohe Regierungsbeamte der Korruption beschuldigt.

Die Korruption ist in der Ukraine – genau wie in Russland – allgegenwärtig und macht der einfachen Bevölkerung schon immer das Leben schwer. Seit Kriegsbeginn sind ihre Folgen noch widerlicher und empörender.

Arbeiter- und Bauernfamilien müssen erleben, wie die Wohlhabenden ihre Kinder vom Kriegsdienst freikaufen. An der Front kämpfen Soldaten mit minderwertiger oder gar fehlender Ausrüstung und Verpflegung, weil politische und militärische Verantwortliche sich von ukrainischen Oligarchen bestechen lassen und von ihnen schlechte und völlig überteuerte Waren kaufen. Teilweise verkaufen Generäle und Offiziere sogar die Waffen unter der Hand weiter.

Wie in jedem Krieg bereichern sich die Besitzenden, während die einfache Bevölkerung dafür den Kopf hinhält. Doch wer dies kritisiert, wird als Feind dargestellt, mit dem Argument: „Jeder, der die Regierung und die Armeeführung kritisiert, schwächt die Front und ist ein Handlanger Russlands“.

Mit demselben Argument hat Selenskyj auch die Entmachtung der Anti-Korruptionsbehörden gerechtfertigt. Es ist das Totschlag-Argument, mit dem seit Kriegsbeginn zahlreiche Kritiker mundtot gemacht und verhaftet wurden. Erst kürzlich haben sie den Vorsitzenden der ukrainischen Gewerkschaft und Vorstandsmitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes verhaftet sowie die Gewerkschaftshäuser beschlagnahmt. Der Grund: Die Gewerkschaften hatten sich dagegen gewehrt, dass die Regierung seit Kriegsbeginn das Arbeitsrecht faktisch abgeschafft hat und die Arbeitsbedingungen immer schlimmer werden.

Die jüngsten Proteste sind ein Ausdruck des zunehmenden Misstrauens gegenüber Selenskyjs Regierung, die immer willkürlicher und autoritärer wird.

Sie machen einmal mehr deutlich, dass in dem Krieg auf beiden Seiten korrupte Machthaber das Sagen haben, die die Bevölkerung unterdrücken und ausbeuten wollen. Und auf beiden Seiten, in der Ukraine wie in Russland gilt: Nur, wenn die arbeitende Bevölkerung sich auch gegen die Unterdrücker und Ausbeuter im eigenen Land zusammentut, kann sie ihre Freiheit erkämpfen.